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Klaus Allofs war bleich wie die Betonwand, vor der er sich zur Rede stellte. Die Wut, den Frust und seine Ratlosigkeit vereinte der Klubchef in einem einzigen Satz. „Das war mein schwerster Tag, seitdem ich bei Werder Bremen bin“, sagte Allofs nach dem 0:4 (0:2) bei Schalke 04 mit heiserer, fast flüsternder Stimme. Es war ein Satz mit hoher Aussagekraft: Klaus Allofs leitet die Geschicke des Vereins seit dem 13. Juli 1999.
Sein 4150. Tag bei Werder war in der Tat ein ganz besonders demütigender. „Unprofessionell, unkonzentriert, eine Riesenenttäuschung“ – so lautete Allofs' Fazit nach 90 schlimmen Minuten, die den einst stolzen viermaligen Meister und früheren Europapokalsieger endgültig zum perfekten Aufbaugegner stempelten. 0:6 in Stuttgart, 0:4 auf Schalke, 1:4 in Hannover, 1:4 in Hoffenheim – blamabel.
Der Blick in die Statistik ist nur ein weiterer Schlag ins Gesicht der taumelnden Hanseaten. Noch nie in der Bundesliga hatte der SV Werder nach 13 Spieltagen mehr als 31 Gegentore kassiert, drei Bundesliga-Spiele in Folge ohne Tor gab es zuletzt vor mehr als siebeneinhalb Jahren. Um ein schlechteres Torverhältnis aus drei Ligaspielen (aktuell 0:10) aufzustöbern, muss man die staubigen Seiten umblättern. Es war 1980, vor 30 Jahren. Damals schoss Allofs Fortuna Düsseldorf zum DFB-Pokal-Sieg, viele der heutigen Werder-Profis waren noch nicht einmal in der Familienplanung.
Weil keine Besserung in Sicht ist, begann die Krisensitzung der Werder-Schwergewichte bereits in der Sekunde des Abpfiffs am Spielfeldrand. Allofs und Trainer Thomas Schaaf steckten minutenlang die Köpfe zusammen. Als sie vor die Presse traten, wurden Sätze mit „Das sind keine Durchhalteparolen“ eingeleitet, um im Nebensatz doch die altbekannten Platitüden folgen zu lassen. Die große Schelte für die desolate Mannschaft blieb aus. „Das können wir nicht tolerieren“ war noch der härteste Satz, zu dem Schaaf sich hinreißen ließ: „So etwas tut uns nicht gut.“
Dabei war Werder mit dem 0:4 noch gut bedient. Leicht hätte es für den Champions-League-Teilnehmer, der 20 Minuten lang flott mitspielte, in die Nähe der Zweistelligkeit gehen können. Anscheinend war es ein fatales Zeichen aller Verantwortlichen, das magere 0:0 gegen Eintracht Frankfurt vor einer Woche als Fortschritt zu verkaufen. „Das haben wir gedacht“, sagte Allofs, „jetzt fangen wir von vorne an.“
Woher allerdings ein plötzlicher Wandel kommen könnte, steht derzeit in den Sternen, das Werder-W hängt in bedenklicher Schieflage. „Wir mussen so schnell wie möglich die Dinge regeln“, sagte Schaaf, der allerdings seine Hilflosigkeit schonungslos einräumte. „Es gibt keinen Plan B oder C. Wir haben nur den einen. Den müssen wir besser umsetzen.“
Plan A allerdings geht in schöner Regelmäßigkeit schief. Vorbei sind die Zeiten, in denen Bremen dank herausragender Einzelkönner wie Diego mit vielen Toren die auch damals schon eklatante Abwehrschwäche kaschieren konnte. Wo die Spiele früher 4:4 ausgingen, enden sie nun eben 0:4. „Es reicht nicht, immer im Mittelfeld schön zu spielen“, sagte Schaaf daher: „Wir müssen Tore schießen und Tore verhindern.“
Dies dürfte am Mittwoch in der Champions League bei Tottenham Hotspur schwierig werden, zumal die Personaldecke extrem dünn ist. „Es darf bis dahin nicht mehr viel passieren, sonst bekommen wir keine Mannschaft zusammen“, sagte Allofs. Anschließend ging er in sich und fand einen Rest Optimismus. Es sei der schwerste Tag bei Werder gewesen, sagte er: „Morgen kann es jedoch schon besser für uns aussehen.“ Sein Gesicht sprach eine andere Sprache.